02/07/2024 0 Kommentare
Erinnerungskultur im Kirchenkreis Neukölln - Grußwort von Präses Bärbel Schoolmann (Herbst 2023)
Erinnerungskultur im Kirchenkreis Neukölln - Grußwort von Präses Bärbel Schoolmann (Herbst 2023)
# Kreissynoden: Referate und Predigten

Erinnerungskultur im Kirchenkreis Neukölln - Grußwort von Präses Bärbel Schoolmann (Herbst 2023)
Sehr geehrte Synodale, sehr geehrte Gäste, liebe Brüder und Schwestern,
herzlich willkommen zur 7. Tagung der 5. Kreissynode hier in der Dreieinigkeitsgemeinde. Ich danke allen sehr herzlich, die an der Vorbereitung und Durchführung dieser Synode beteiligt waren und sind.
Seit unserem letzten Treffen hat sich hier in Neukölln, auf unseren Straßen, in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben viel verändert. Der unerträgliche Akt des Terrors der Hamas gegen unsere jüdischen Schwestern und Brüder hat bei uns lange, zu lange zugedeckte Konflikte aufbrechen lassen, die in antisemitischen Ausbrüchen ihren vorläufigen Höhepunkt fanden. Leider auch auf Neuköllns Straßen. Die permanente Abwägung zwischen dem Recht auf Versammlungsfreiheit und der oft zu erwartenden Hetze bis hin zur Volksverhetzung auf solchen Versammlungen, stellt unseren demokratischen Rechtsstaat beinahe täglich auf eine harte Probe.
Als wir den Themenschwerpunkt für unsere heutige Tagung „Erinnerungskultur im Kirchenkreis Neukölln“ geplant haben, wollten wir dieses Thema einmal in den Fokus rücken. Jetzt hat es darüber hinaus eine bedrückende Aktualität erhalten.
In das Thema führen uns Marion Gardei und Dr. Sophie Tätweiler mit ihren Impulsen ein. Ich begrüße sie sehr herzlich. Es ist mir eine besondere Freude, heute Dilek Geyik mit Schülerinnen und Schülern vom Campus Efeuweg begrüßen zu können, die uns ihr Projekt vorstellen. Wir haben uns in unserer Rudower Gemeinde getroffen, wo ich das Projekt kennenlernen durfte. Schön, dass sie heute hier sind.
„Erinnerung verändert sich permanent. Altes wird gelöscht, Neues hinzugefügt und Bestehendes modifiziert. Das trifft nicht nur auf die Gedächtnisleistung des Menschen zu. Ganzen Gemeinschaften, gar Nationen, wird ein kollektives Gedächtnis oder die Fähigkeit zugeschrieben, sich an identitätsstiftende Ereignisse zu „erinnern“ – und sie in Form von Erzählungen, Traditionen oder Gedenkveranstaltungen abzurufen und weiterzugeben. Woran sich eine Gemeinschaft wie erinnert ist dabei Teil ihrer Erinnerungskultur“, so ist es sehr treffend auf der Website der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft ausgeführt.
Es geht aber nicht nur um das Erinnern selbst, vor allem auch an die Gräueltaten der Nazi-Zeit, sondern um das Verhindern, dass Ähnliches wieder geschehen kann, aus der immer währenden Erinnerung heraus. Wir müssen heute zur Kenntnis nehmen, dass die aus dieser Zeit für uns resultierende besondere Verantwortung für das jüdische Volk nicht nur von einigen Deutschen, sondern von vielen in anderen Kulturkreisen geprägten Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht in gleicher Weise akzeptiert ist. Das stellt unser Zusammenleben hier in Neukölln oft vor eine Zerreißprobe.
Wie nehmen sich Deutsche und Israelis heute gegenseitig wahr?
Die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung mit der Datenbasis aus 2021 zeigt sehr starke Unterschiede in der gegenseitigen Wahrnehmung zwischen Deutschen und Israelis. 46 Prozent der Deutschen haben eine gute Meinung und 34 Prozent eine schlechte Meinung von Israel. Dem steht ein ausgesprochen positives Deutschlandbild vieler Israelis gegenüber. 63 Prozent von ihnen haben eine gute, nur 19 Prozent eine schlechte Meinung von Deutschland.
Was können uns nun diese Zahlen sagen?
Der Israel-Experte der Bertelsmann-Stiftung, Stephan Vopel, sagte: „Die Unterschiede in der gegenseitigen Wahrnehmung zwischen Deutschen und Israelis sind auch das Resultat unterschiedlicher Sicherheitslagen und unterschiedlicher politischer Kulturen. Für die allermeisten Deutschen gilt weiter die Maxime ´nie wieder Krieg´, für die Israelis heißt es ´nie wieder Opfer´“.
Ich erinnere dazu besonders an Willy Brandt, der in seiner Regierungserklärung am 28. Oktober 1969 ausführte: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, nach innen und nach außen.“ Das ist gewiss ein Stück unserer Erinnerungskultur.
Ich erinnere an den Friedensnobelpreis für die Herren Yitzak Rabin, Simon Perez und Jassir Arafat im Dezember 1994. Der Nahost-Konflikt schien kurz vor dem Ende mit einer möglichen 2-Staaten-Lösung, nicht zuletzt auch aufgrund der Vermittlungen durch Deutschland in vielen Jahren durch den Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hans-Jürgen Wischnewski („Ben Wisch“). Auch dies sollte ein Teil unserer Erinnerungskultur sein.
„Nie wieder Krieg“
Immer wenn ich die Worte höre „Schutzschilde“, „Geiseln im Befreiungskampf“ oder auch Kollateralschaden, dann fühle ich mich sehr betroffen. Es geht um Menschen, von denen jeder einzelne uns kostbar ist. Immer wo es möglich ist, bleibt es unsere christliche Aufgabe für den Frieden zu arbeiten und auf ihn zu hoffen. Wie sollen wir ohne diese Hoffnung das unendliche Leid egal wo und auf welcher Seite der vielen Kriegsparteien auf der Welt ertragen.
Wir erinnern uns: Kriege kennen am Ende immer nur viele Verlierer und nur wenige Kriegsgewinnler, meist fernab vom Geschehen.
Deshalb: Bleiben Sie mutig und vor allem achtsam!
Der Herr gebe uns Frieden, Hevenu shalom aleichem.
Bärbel Schoolmann
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