02/07/2024 0 Kommentare
Grußwort von Präses Bärbel Schoolmann (Frühjahr 2024)
Grußwort von Präses Bärbel Schoolmann (Frühjahr 2024)
# Kreissynoden: Referate und Predigten
Grußwort von Präses Bärbel Schoolmann (Frühjahr 2024)
Sehr geehrte Synodale, sehr geehrte Gäste, liebe Brüder und Schwestern,
ein herzliches Willkommen Ihnen allen hier in der Gemeinde Martin-Luther-Genezareth, in der Martin-Luther-Kirche, einem der Wahrzeichen hier in Nord-Neukölln, 1908 errichtet, im Krieg völlig zerstört, wieder aufgebaut und 1957 vom damaligen Bischof Otto Dibelius wieder eingeweiht. Wir sind sehr dankbar, dass heute die 8. Tagung unserer 5. Synode hier stattfinden darf. Mein Dank gilt allen, die zum Gelingen dieser Tagung mit ihrer Arbeit beitragen.
Ich möchte gleich zu Beginn Ihren Blick auf das wunderbare Altarbild lenken, welches von der Friedenauer Künstlerin Monika Sieveking stammt und seit 1984 in dieser Kirche die Blicke auf sich zieht. Die Gemeinde schreibt auf ihrer Homepage im Internet, dass dieses Bild das Selbstverständnis der Gemeinde prägt.
Auf den ersten Blick wird man von der unbändigen Fröhlichkeit des gemeinsamen Miteinanders rund um ein Tischtuch eingeladen und mit offenen Armen von einer vielfältigen Gemeinschaft empfangen, ja förmlich aufgesogen.
Man will dabei sein. Die Seitenteile des Triptychons holen einen zurück in den oft schwierigen Alltag vieler Neuköllner und ergänzen das Bild zu einer Darstellung mitten aus dem Leben. Man steht mittendrin. Schauen Sie sich die vielen Details der Bilder genauer an. Sie werden vieles entdecken, was verschiedene Sichten auf unser heutiges Schwerpunktthema zeigt.
Das Thema für das Altarbild lautete "Unsere Stadt, Stadt Gottes". Auch mit dieser Überschrift hätten wir unsere heutige Tagung versehen können.
Unser heutiges Schwerpunktthema „Kirche, Diakonie, Gemeinwohl“, das wir zu Beginn mit Impulsen und einer Paneldiskussion mit Dr. Ursula Schoen, Herrn Hannes Rehfeldt und Dr. Oliver Unglaube moderiert von Felicia Schulz beleuchten werden, ist so umfassend, wie Kirche und kirchliches Handeln sind. Leider wird dies in der Öffentlichkeit immer weniger so wahrgenommen.
Dieses Thema ist so vielfältig, das es eigentlich den Rahmen unserer kompakten Synodalsitzung sprengt. Dennoch wollen wir versuchen, es wenigstens anzureißen.
Trotz aller Bemühungen, das positive Wirken unserer Kirche zu verdeutlichen, überlagern kirchenkritische Themen immer wieder den öffentlichen Diskurs. Wir müssen hinhören und uns damit auseinandersetzen, dürfen dabei aber keineswegs vergessen, zu zeigen, welchen wichtigen Beitrag wir für die Gesellschaft leisten.
Wir sind unterwegs, um neue Wege zu erproben, um Religion und Spiritualität neu erlebbar zu machen, auch um zu erfahren, wie wir unsere Kirche gemeinsam weiterentwickeln können. Ein Teil dieser Gemeinde, wo wir uns heute versammelt haben, ist die Genezareth-Kirche am Herrfurthplatz, die mit dem Projekt „Startbahn“ intensiv neue Wege erkundet, Menschen anzuziehen und Kirche wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Umgebung, den Kiez zu rücken. Ein Projekt, das ausstrahlt. Es wird viel Neues erprobt. Vieles wird weiterverfolgt werden können, einiges wird vielleicht nicht funktionieren. Wir werden daraus lernen. Wir benötigen viele solcher Projekte, um uns auf die Zukunft vorzubereiten, aber auch um die positive Wahrnehmung einer Kirche zu stärken, die bei den Menschen ist.
Es gibt eine Vielzahl von Initiativen in unserem Kirchenkreis, die durch sehr unterschiedliche gemeindliche Arbeit, angepasst an die jeweilige örtliche Situation, Kirche sichtbar machen. Sie sind nicht weniger wichtig, sichern sie doch die Grundlage unserer Kirche, die direkte Beziehung zu den Menschen in der Umgebung.
Dietrich Bonhoeffer hat im Gefängnis 1944 den „Entwurf einer Arbeit“ verfasst, in dem er dazu formulierte: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“.
Wenn man durch Neukölln fährt mit seinen so unterschiedlichen Ortsteilen, sieht man sehr häufig Hinweise auf Einrichtungen der Diakonie. Das ist das sichtbare Zeichen dafür, dass Kirche für andere da ist. Hätten wir das diakonische Werk mit seinen Arbeitsbereichen nicht, würde einer der wichtigsten Pfeiler der sozialen Arbeit nicht nur in unserem Kirchenkreis wegbrechen. Viele denken, wie auch ich, dass dies nicht staatlich oder durch andere Organisationen substituierbar wäre.
Weit über die Grenzen Neuköllns ist unser Engagement für Obdachlose bekannt. Das Projekt Tee- und Wärmestube Plus geht weiter voran.
Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, Kirche und Diakonie werden in weiten Kreisen der Gesellschaft nicht richtig wahrgenommen und wertgeschätzt. Sie sind einfach da. Ein bisschen so, wie die liebe Tante, die immer gern mit Geschenken beim Geburtstag gesehen wird und sonst das ganze Jahr zurückgezogen lebt. Bemerkt wird erst ihr Verlust, weil sie und die Begegnung mit ihr, ihr guter Rat dann fehlen. Um im Bild zu bleiben: Die Tante muss auch selbst aktiv werden, für ein gutes Miteinander.
Es gibt den alten Ausspruch: „Klappern gehört zum Handwerk“. Dass dies heute aufgrund der Vielfalt an „Kanälen“ komplex ist, zeigt uns der Bericht unserer Öffentlichkeitsbeaufragten. Es kommt darauf an, „sichtbar“ zu bleiben.
Kirche und Diakonie sind nicht nur in der Gesellschaft verankert und leisten ihren erheblichen Beitrag für das gesellschaftliche Zusammenleben. Sie stehen auch direkt für die christlichen Werte, die die Grundlage unseres Zusammenlebens und unseres gemeinsamen Tuns bilden: Glaube, Liebe, Hoffnung, die göttlichen Tugenden, die Barmherzigkeit und die aus Psalm 33 abgeleiteten Werte Gerechtigkeit und Recht.
Diese Werte sind die Grundlage aller kirchlichen und diakonischen Arbeit. Diese Werte steuern wir als Christen zu den Wertvorstellungen der Gesellschaft bei. Etwas provokativ gefragt: Wer sonst?
Im Ergebnis der aktuellen, sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung stimmen 60% der Gesamtbevölkerung der Aussage zu, dass das Christentum die Grundlage der westlichen Kultur bildet.
Werte bezeichnen etwas, das wir als positiv, erstrebenswert oder moralisch gut ansehen. Es sind tiefverwurzelte Überzeugungen, Einstellungen, Ideale und Bedürfnisse, welche gewöhnlich von den Mitgliedern einer Gemeinschaft geteilt werden und zu deren Identität und Kultur beitragen. So oder so ähnlich findet man die Definition an vielen Stellen im Internet. Werte geben Orientierung. Wir stehen für unsere christlichen Werte ein.
Das ist gegenwärtig besonders wichtig, da gerade in den aktuellen politischen Diskussionen immer wieder der Werteverlust in unserer Gesellschaft beklagt wird. Dies führt dazu, dass wir uns in die politischen Diskussionen einmischen und Position beziehen müssen.
Unser Alt-Bischof und ehemaliger Ratsvorsitzender der EKD, Wolfgang Huber, hat dies so zusammengefasst: „ Mit jeder Religion verbindet sich ein umfassender Anspruch. Es gibt keine Religion, die ohne Konsequenzen für die Lebensführung bleibt. Insofern hat jede Religion auch eine politische Dimension. Sie betrifft nicht nur das private, sondern auch das öffentliche Leben.“
Unser Kirchenkreis bezieht Stellung.
In Brandenburg hat sich ein breites Bündnis gegen Rechtsextremismus gegründet. Vernetzen, unterstützen, Mut machen - das sind die Ziele von „Brandenburg zeigt Haltung“. Die Initiative bündelt das Engagement für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. 110 Organisationen haben bereits unterzeichnet, mit dabei Gewerkschaften, Parteien und die christlichen Kirchen.
Der Ev. Kirchenkreis Neukölln begrüßt den Aufruf des Bündnisses „Brandenburg zeigt Haltung - Für Demokratie und Zusammenhalt“ und hat sich am 29. Januar 2024 in die Unterstützerliste des Bündnisses eingetragen.
In Neukölln ist der Kirchenkreis im „Bündnis Neukölln - Miteinander für Demokratie, Respekt und Vielfalt“ bereits seit einigen Jahren vertreten.
Unsere Position ist klar und deutlich. Sie wird getragen von unseren christlichen Werten. Unsere Grundhaltung ist geprägt durch Toleranz, Vertrauen, Achtung und Respekt vor Mensch, Schöpfung und Schöpfer und führt so in der politischen Auseinandersetzung zur Unterstützung des Klimastreiks durch die EKD und die Ablehnung rechtsextremer Positionen. Wer von „Remigration“ redet und damit die Jahre der Deportationen umschreibt, stellt sich außerhalb unserer Gemeinschaft.
Auch diese klare Positionierung ist ein wichtiger Beitrag zum Gemeinwohl unserer Gesellschaft.
Seien wir sicher in unserem Glauben und mit unseren Werten. Gehen wir auf die Menschen in unserer Umgebung zu, um ihnen unseren Beitrag und dessen Wichtigkeit für unsere demokratische Gesellschaft näher zu bringen. Folgen wir dem Motto unserer Fastenzeit:
„KOMM RÜBER! Sieben Wochen ohne Alleingänge“.
Der Platz ganz vorne im Altarbild ist zwar gedeckt, aber frei gehalten: ein Gast wird noch erwartet. Wir, du und ich, alle sind eingeladen, dort Platz zu nehmen. Laden wir unsere Mitmenschen aktiv in unsere Gemeinden ein. Unser Tisch ist reich gedeckt. Empfangen wir sie mit offenen Armen.
Fassen Sie Ihre jeweiligen Nachbarn bei den Händen, geben Sie sich gegenseitig Kraft.
Seien Sie behütet und bleiben Sie mutig und achtsam.
Bärbel Schoolmann
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